Sunday, January 31, 2010

Liliput-Roboter

Erst später fiel mir auf, dass ich sogleich gewusst hatte, wem ich gegenüberstand. Das war insofern merkwürdig, als der grosse Zapparoni, wie jedes Kind ihn kannte, nicht die mindeste Ähnlichkeit besass mit jenem, dem ich in der Bibliothek begegnete. Die Gestalt, die insbesondere der Zapparoni-Film entwickelt hatte, ging eher auf einen milden Grossvater aus, auf einen Weihnachtsmann, der in verschneiten Wäldern seine Werkstätten hat, in denen er Zwerge beschäftigt und rastlos darüber nachsinnt, womit er den grossn und kleinen Kindern Freude machen kann. »Alle Jahre wieder — -« auf diesen Ton war der Katalog der Zapparoni-Werke gestimmt, der in jedem Oktober mit einer Spannung erwartet wurde, deren sich kein Märchenbuch, kein Zukunftsroman erfreut hatte.

Zapparoni musste also wohl einen Beauftragten haben, der diesen Teil seiner Repräsentation übernahm, vielleicht einen Schauspieler, der den père noble machte, oder auch einen Roboter. Es war sogar möglich, dass er mehrere solcher Schemen, solcher Projektionen des eigenen Ich beschäftigte. Das ist ein alter Traum des Menschen, der besondere Redewendungen hervorgebracht hat, wie etwa: »Ich kann mich nicht vierteilen«. Zapparoni erkannte das anscheinend nicht nur als möglich, sondern als vorteilhafte Ausdehnung und Steigerung der Personalität. Seitdem wir mit Teilen unseres Wesens, wie mit der Stimme und dem Erscheinungsbilde, in Apparaturen ein- und aus ihnen wieder heraustreten können, geniessen wir gewisse Vorteile des antiken Sklavenwesens ohne dessen Nachteile. Wenn einer das erfasst hatte, so war es Zapparoni, der Kenner und Entwickler der Automaten nach der Spiel-, Genuss- und Luxusseite hin. Eines seiner zum Wunschbild erhobenen Ebenbilder paradierte, mit überzeugenderer Stimme und milderem Äusseren, als ihm die Natur verliehen hatte, in Wochenschauen und auf Fernsehschirmen, ein anderes hielt in Sidney eine Ansprache, während der Meister sich, behaglich meditierend, in seinem Kabinett aufhielt.

Ernst Jünger, Gläserne Bienen. Ernst Klett, Stuttgart 1957, p. 80/81.

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