Tuesday, December 1, 2009

Los vom Westen! Und der Osten?

Die grosse Masse dieser Intelligenz wie des deutschen Volkes überhaupt hat, im Gegensatz zur Masse des russischen Volkes, aber auch gar keinen Glauben mehr an die angeblichen Segnungen des technischen Fortschritts; sie kann, aus geschichtlichen Gründen, die ihr bewusst sind, aber auch aus Gründen der für uns begrenzten, ja bereits erschöpften Möglichkeiten jeder Extensivwirtschaft auf unserem deutschen Raum nur noch an eine Intensivierung unserer Wirtschaft glauben. Also: statt - wie in Sowjetrussland - Industrialisierung bei uns Entindustrialisierung, die sich unter dem Schwund der Auslandsmärkte ohnehin vollzieht, und Aufwirtschaftung des Landes, des Bodens. Bildungsmässig sind die Grenzen für unser Volk gleichfalls so ziemlich erreicht, denn nur wenige - Ungebildete - glauben im Ernst noch an das rationalistische Evangelium, dass Wissen Macht sei. Was heute in Deutschland not tut, ist weniger Wissen und mehr Charakter. Mehr Glaube! Glaube an unser Land, an unser Volk, an unser Blut. Bis in die letzten Tiefen hinein, in denen bei unseren Vätern noch der Glaube an eine allseligmachende christlich-europäische Kultur, oder der liberalistische Wahnglaube an die Weltherrschaft der Vernunft, ihren Sitz hatte.

Darum bin ich überzeugt, fass, obwohl sich Sowjetrussland in gewiss ehrlicher Überzeugung seiner Machthaber in der weltumstürzenden Mission einer neuen Idee fühlt, wie in Deutschland über diese bolschewistische Idee (es ist die des folgerichtigen materialistischen Marxismus) längt hinaus sind. Die Tatsache, dass sich in Deutschland bisher auch nicht ein Kommunist gefunden hat, der den Genossen in Moskau hätte klar machen und sich ihnen gegenüber dabei hätte durchsetzen können, dass die Dinge hier geistig, geschichtlich, soziologisch und wirtschaftspolitisch ganz anders liegen als in Sowjetrussland, sagt genug. Denn wer die Dinge für unsere deutschen Verhältnisse zu Ende denkt, muss es für ausgeschlossen erklären, dass unser soziales Problem noch mit der liberalistischen Idee des unbegrenzten Fortschritts zusammengekoppelt werden könnte. Sondern die Lösung unserer sozialen Kernfrage kann nur immer national sein. Die Gefahr, dass Deutschland etwa dem "Bolschewismus" ausgeliefert werden könnte, schätze ich aus diesem wie mir scheint entscheidenden Grunde auch gar nicht hoch ein. Ich bin überzeugt, sie ist überhaupt nicht vorhanden. Es sei denn, dass die Sowjets Deutschland den Krieg erklärten, die Zwischenstaaten überrennen und sich in Deutschland militärisch festsetzen könnten; das aber wäre eine Utopie. Anderseits bewundere ich den Schwung und die hinreissende Kraft des bolschewistischen Glaubens - gültig für Sowjetrussland. Dort hat er noch Berechtigung, dort hat er Auslauf. Darum scheint mir Sowjetrussland auch ein Land von einer ganz grossen Zukunft - auch in geistiger Hinsicht; während der europäische Westen Länder bestenfalls von einer ganz grossen Vergangenheit beherbergt. Und vielleicht kommt einmal die Zeit, in der der materialistische Fortschrittsglaube der bolschewistischen Ideologie sich mildert, seine Grenzen erkennt. In weiterer Zukunft - aber immerhin in Zukunft. Darum möchte ich es für mein Teil mit der Zukunft halten; denn ich glaube, dass wir, wir Deutsche, wenn erst einmal in uns das Evangelium des Blutes und der Erde wach geworden und zur Tat geworden ist in einem darin alle "sozialen" Fragen zwanglos lösenden neuen Reich, dies Evangelium auf unserem eigenen Grund und Boden nicht hat

Erick, in: Die Kommenden. Überbündische Wochenschrift der deutschen Jugend, Nr. 35, 28.08.1932.

No comments: