Da der Liberale zwar weiss, was er nicht sein möchte, nicht aber was er positiv sein will, ist seine Ideologie bis heute eine Sammlung von unverbindlichen Allgemeinheiten geblieben. So hat der Liberalismus von den christlichen Kirchen (von denen er sich doch emanzipieren wollte) die Leerformel von der "Gleichheit aller Menschen" übernommen. Sie macht sich gut in feiertäglichen Reden, solange der Konsens nicht getrübt ist. In Krisenzeiten aber, immer wenn es "ernst" wird, weiss der Liberale nicht mehr weiter.
Wie soll er sich verhalten, wenn ein Fremder an die Tür klopft und diese Gleichheit einfordert, dabei aber seine Andersheit entweder nicht aufgeben will oder gar nicht aufgeben kann? Wie soll er reagieren, wenn ein Anderer, unter Berufung auf die Gleichheit aller Menschen, seinen Anspruch auf Anteil an der modernen Industriegesellschaft einklagt, obwohl ihm seine tief eingerastete Mentalität die Unterwerfung unter die asketische Industriedisziplin gar nicht erlaubt und er so über den Status des nicht qualifizierten Hilfsarbeiters nie hinauskommt?
Armin Mohler, Weltherrschaft des Liberalismus? In: Staatsbriefe. München 1990.
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