Wir sollen dem Proletariate glauben, dass ihm in Deutschland gelingen werde, was der Demokratie misslang: Deutschland zu retten!
Wir sollen dies dem gleichen Proletariate glauben, das sich bis dahin durch den Klassenkampfgedanken von der Nation trennte. Es will nunmehr als Volk handeln, und für das Volk es will selber die Nation sein.
Vor fünf Jahren gab es die Möglichkeit noch nicht, zu dem Proletariate von seiner Nationalität auch nur zu sprechen. Das deutsche Proletariat war tiefer in den Gedanken der Internationale eingelebt, als die Arbeiterschaft jedes anderen Landes. Es teilte mit der Demokratie die taube Illusion eines pazifistischen Zeitalters, das nunmehr in der Welt anbrechen werde. Und weit von sich ab wies es die zynische Warnung, die schon damals das revolutionäre Russland hinübersandte: nicht auf seine eigene Gutgläubigkeit hereinzufallen und die Waffe aus der Hand zu legen und sichjeglichen Verteidigungsmittels gegenüber der obsigenenden Entente zu begeben! Die deutschen Sozialisten konnten sich ein sozialistisches Deutschland nur als einen friedlichen Staat vorstellen, der sich das Vertrauen seiner Feinde erwarb. Sie machten seine Zukunft von deren Wohlwollen abhängig, von der Uneigennützigkeit der Völker, von der Selbstlosigkeit ihrer Staatsmänner. und überdies glaubten sie wirklich, dass der Weltkrieg der letzte aller KrKriege auf Erden gewesen sei. So dachte das revolutionäre Deutschland.
Die Demokratie wurde schon durch Versailles bekehrt. Da erkannte sie den Betrug der Weltdemokratie und schrie empört auf oder schwieg ergeben. Und noch langehin gab es Demokraten, die dem Betruge durch Erfüllung zu begegnen gedachten und die auf Gerechtigkeit durch Verständigung hofften. Vor allem jedoch ist die Demokratie ohnmächtig und sieht keinen Ausweg. Das Proletariat dagegen fühlt sich mächtiger werdend und glaubt einen Ausweg zu sehen. Es wurde durch Moskau belehrt. Es sah. dass der rot armierte Sowjetstaat sich seine aussenpolitische Unabhängigkeit zu wahren wusste, Das deutsche Proletariat muss immer ein ausländisches Vorbild haben. Die deutsch-russische Interessengemeinschaft, die als proletarisch-revolutionäre Interessengemeinschaft schon parteipolitisch geboten war, wurde den deutschen Arbeitern namentlich wirtschaftspolitisch verständlich gemacht: hier ein industrielles, dort ein agrarisches Land, zwei Länder, die einander schon von Natur ergänzen und deren Völker auch in der Politik zusammengehen sollten - dies alles war etwas primitiv und vorwegnehmend, aber es war plausibel und immerhin naheliegend. Sollte das deutsche Proletariat nicht auch kampfpolitisch daraus bestimmte Schlussfolgerungen ziehen? Der deutsche Kommunismus hatte nacht dem russischen Beispiele wenigstens in der Theorie seinem Pazifismus abgesagt. Nur war dies immer noch im Namen der Internationale geschehen. Aber war der militaristische Entschluss, durch den sich Sowjetrussland in dem Abwehrkampfe gegen die Entente die Unantastbarkeit sicherte, nicht zugleich ein nationaler Entschluss gewesen? An der Ruhr erlebte in diesem Jahre das Proletariat eine Vergewaltigung der Nation, die jeden Deutschen um seiner Nationalität willen traf und nicht erst nach seiner persönlichen Partei- und Klassenzugehörigkeit fragte. Es gab erste Monate in diesem Jahre, in denen der deutsche Kommunismus in seiner Haltung noch schwankte, in dem er Doppelparolen ausgab und die einfältige Rechnung aufmachte, dass nach dem Zusammebruche der bürgerlichen Abwehrregierung der Angriff auf das kapitalistische Frankreich und seine Militärmacht, mit der man einstweilen abändelte, sich von der Internationale aus klassenkämpferisch aufnehmen lassen werde. Aber dann war das Erlebnis zu stark und seine Rückwirkung auf alle Schichten, Stände, Berufe der Bevölkerung war so breit, dass auch der deutsche Kommunismus sich der nationalen Schlussfolgerung nicht zu entziehen vermochte. So konnte man denn in den Blättern der Partei lesen: "Es geht um Deutschland!" Man konnte in ihren Blättern lesen: "Lieber tot als Sklav!" Man konnte in ihren Blättern lesen: "Rettet die Nation!"
Wir lassen hier bei Seite, was dabei Parteipolitik war, was Taktik und Trick war. Was heute in Deutschland noch Parteipolitik ist, das fällt im Angesichte eines ungeheuern weltgeschichtlichen Geschehens mit Erbarmungslosigkeit auf die betreffende Partei zurück, das stellt sie vor dem Lande bloss, das schaltet sie aus - und die kommunistische Partei macht hier keine Ausnahme. Wir haben in Deutschland politisch nicht mehr mit Parteien, wir haben von der Stunde an nur noch mit Menschen zu tun. Wir haben überall in den Partein mit Deutschen zu tun, die entweder von dem Schicksal der Nation in der Tiefe erfasst werden - oder aber seinen Gang auch jetzt noch mit der Erwägung von irgend welchen Vorteilen begleiten, die sich aus dem allgemeinen Untergangen vielleicht für einen einzelnen Standpunkt herauschlagen lassen. Es sondern sich überall Deutsche aus, in denen noch ein Ernst ist, eine Leidenschaft, eine männliche Erbitterung, die, um an der Nation nicht verzweifeln zu müssen, für die Nation handeln will. Es vollzieht sich überall iunter den Menschen eine Scheidung, die sich nicht nach der Klasse richtet, nicht nach dem Berufe oder gar nach dem Vermögen, eine Scheidung vielmehr, die als Bewegung alle Stämme erfasst und den Unterschied der Bekenntnisse aufhebt, oder was wir sonst an Trennendem aus unserer Geschichte noch mitschleppten, eine Scheidung und Bewegung, die neu in Deutschland ist und nur noch die Nation will. Und hier nun müssen wir mit der Tatsache rechnen, dass die Bewegung auch auf die Arbeiterschaft übergriff, und dass es überhaupt möglich gewesen ist, an das deutsche Proletariat diese Forderung ergehen zu lassen, die ein Ruf an seine deutsche Nationalität war: das Land zu retten"
Die Frage bleibt nur, ob das Proletariat dazu geistig bereit ist?
Moeller van den Bruck, in: Das Gewissen, 5. Jahrgang, Nummer 39, 1. Oktober 1923.
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