Sunday, October 18, 2009

Freiheit und Heiligung


Freiheit und Heiligung: das heisst Opfer und noch einmal Opfer, Opfer an Gut, und wenn es sein muss, an Blut, aber in einer anderen Sphäre, auf einer anderen Bühne als auf dem wackelnden heutigen Kriegstheater! Als Michael Bakunin nach zehnjähriger Kerkerhaft und Verbannung mit krummem Rücken, ohne Zähne, herzkrank und grau, als Fünfzigjähriger auf dem Friedens- und Freiheitskongresse in Bern erschien, umringten ihn seine Freunde aus den achtundvierziger Jahren, und man bestürmte ihn, die Memoiren seiner Konspirationen und Strassenkämpfe, seiner Todesurteile, Verbannung und Flucht zu schreiben. "Il faudrait parler de moi-même!", sagte er. Er fand, es gäbe wichtigere Dinge zu tun, als von der eigenen Person zu sprechen. Und Von Léon Bloy rührt das tief verlorene, vielleicht religiöseste Wort unserer Zeit her: "Qui sait, après tout, si la forme la plus active d l´adoration n´est pas le blasphème par armour, qui serait la prière de l´abandonné?" Versteht man danach, was Freiheit und Heiligung ist?

Hugo Ball, Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, Der Freie Verlag, 1919 (p. 13).

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