Nicht zuletzt den provokanten Büchern Guillaume Fayes verdanken wir, dass die Verwirrung um den uns so vertrauten Gegensatz von Konservatismus und Fortschritt zunimmt. Bereits in seinem furiosen Einstandswerk "Le Système a tuer les peuples" (Paris: Copernic, 1981) erwies sich Faye als dynamischer Denker der neuen Kultur, der gegen den totalitären Merkantilismus in humanitaristischem Gewande kämpft und für die Rechte der Völker - aller Völker! - eintritt. Er plädierte für Selbstbestimmung, kulturelle Identität und ein Recht auf Anderssein. Damals zeigte er den vollzogenen Übergang unserer Gesellschaften von der Zivilisation zum "System": Unser Dasein - so Faye - ist geprägt von der morbiden, systembedingten Amerikanosphäre, einem Zustand sozialer Entropie.
Auch in seinem Buch über die Neue Konsumgesellschaft - für Faye kurz "La NSC" - setzt sich der Autor mit Rationalismus und Egalitarismus auseinander. Zwar erfährt der Leser wenig über eine pragmatische Zielorientierung, mit der die Krise der Gegenwart überwunden werden soll. Jedoch wird der Widerspruch, den seine Ausführungen auslösen können, ein Indikator dafür sein, wann unsere Krise zu Ende gedacht und gelebt wird.
Faye beherrscht die a-moralische Sichtweise; daher die Präzision seiner Beobachtungen. Er erkennt Hedonismus und Konsummanie als kardinale Werte der Neuen Konsumgesellschaft und liefert anschauliche Beispiele dafür, dass der Beginn des Zeitalter des homo consummans (gefülltes Portefeuille kombiniert mit kleinbürgerlichem Geist) hinter uns liegt. Ihm gelingt es, den Begriff der Lebensqualität und das Dogma des ökonomischen Wohlstands einer luziden Kritik zu unterziehen. Lebensintensität wird von der Neuen Rechten zur Tugend zukünftigen Menschseins erkoren.
Fayes Kernausse, durchaus ein Ansatz zu eine rkritischen Theorie, lautet: Wo früher vertikale (regionale, nationale) Differenzen vorherrschten, dominiert heute - Folge des Egalitarismus - eine horizontale, nur simulierte Heterogenität. Diese löste eine soziologisch heterogene und kulturell gemeinsame Gesellschaftsstruktur ab. Unsere Zivilisation, das System, ist hingegen soziologisch homogen und gerade kulturell atomisiert. Faye sieht die Neue Konsumgesellschaft als gigantisches Theater; Konflikten drohe die Unbegrenzbarkeit.
Was tun? Ohne Eskalaton werde es keine historische Erneuerung geben. Möglich, dass Faye sich als positiver Nihilist einer postmodernen Neuen Rechten verstanden wissen will. Seine symbolträchtige Anlehnung an den Gott Dionysos - dionysische Freuden sind Fayes Programm für die Posthistoire - will nachvollzogen sein: Denn der fernen Rückkehr des Apoll gilt es zu harren. Für Autor und Leser keine ungefährle Aporie; nicht alle Triebhaftigkeiten des Gehirns bewahren die Maske einer Errungenschaft des Geistes.
Aufmerksamkeit ruft Fayes Rezeption der unorthodoxen Soziologen Jean Budrillard und Michel Maffesoli hervor. Im westlichen Nachbarland verlieren Links-Rechts-Schemata ihre Argumentationswirkung. Die Mühe lohnt, über subtile Grenzüberschreitungen nachzudenken. Erste Reflexionen ergeben ein faszinierendes Relief.
Guillaume Faye, La NSC - La Nouvelle Société de Consommation. Le Labyrinthe, Paris 1984. Buchbesprechung in: DESG-inform, 3/85,
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